Jan Milic Lochman Stipendium
Der Vorstand des Vereins 'Evangelisches Studienhaus' und ein unterstützendes Patronatskomittee vergeben jährlich ein Stipendium für eine Theologiestudentin oder einen Theologiestudent. Bei der Vergabe sollen Studierende berücksichtigt werden, die über wenig finanzielle Mittel verfügen und aus einer Kirche stammen, die mit der Ev. Ref. Kirche verbunden ist.
Mit dem Stipendium erinnern wir an den theologischen Lehrer, Ökumeniker und Rektor des Universitäts in Basel Jan Milic Lochman (1922-2004), der internationale kirchliche Beziehungen nicht nur pflegte, sondern selbst seine frühen Jahre in Böhmen und Prag verbrachte. Während seiner über dreissigjährigen Basler Zeit galt sein theologisches Engagement der Lehre und dem Einstehen für die christliche Botschaft. Dies tat er im Einsatz für und mit der weltweiten Kirche und förderte so den Dialog und Verständnis verschiedener Kulturen und gesellschaftspolitischer Kontexte.
Basel ist seit jeher ein Ort, an dem Menschen aus verschiedenen Ländern und Konfessionen Aufnahme finden. Die Stadt, das kirchliche Leben aber auch die Universität mit ihren Möglichkeiten pflegten und pflegen den internationalen Austausch.
Die Ev. Ref. Kirche Basel-Stadt, mit dem das Studienhaus in engem Kontakt steht, legt Wert auf Verbindungen zu verschiedenen Kirchen in allen Kontinenten und begrüsst das Vorhaben.
Finanzierung und Umsetzung: Der Vereinsvorstand mit dem Patronatskomitee vergeben ein Jahresstipendium in Höhe von 6000.- Sfr. an eine Theologiestudentin oder einen Theologiestudenten.
Lochmann Stipendiant Silas Eiche
Dankesrede von Silas Eicheanlässlich des Benefitskonzerts für das Lochmann Stipendium am 23.10.2020 in der Dorfkirche Riehen
Liebe Freunde und Unterstützer des evangelischen Studienhaus Meierhof, Liebes Pfarrerehepaar Holder, Lieber Trägerverein und Patronatskomitee,
Mein Name ist Silas Eiche und als diesjähriger Lochman-Stipendiat ist es mir eine grosse Ehre Sie heute Abend hier bei diesem Benefizkonzert begrüßen zu dürfen.
Zuerst möchte ich mich bei allen bedanken, die dieses Konzert überhaupt möglich gemacht haben. Mein Dank gilt zunächst den Musikinnen, die uns heute Abend musikalisch durch den Abend leiten: meiner Mitbewohnerin SeonHwa Lee am Cello und Maho Sano am Klavier. Mein Dank gilt weiterhin all denen, die dieses Benefizkonzert initiiert und organisiert haben und ohne deren Engagement es kein evangelisches Studienhaus hier in Riehen gäbe: dem Pfarrerehepaar Dan und Martina Holder und dem Trägerverein des evangelischen Studienhauses unter dem Vorsitz von Thilo Arend-Heidbrinck.
Ich freue mich, dass wir das Benefizkonzert trotz der Corona Pandemie und wachsender Fallzahlen durchführen können! Es freut mich sehr, dass wir alle heute Abend hier in dieser wunderschönen alten Kirche sind und gemeinsam den Lauten klassischer Musik lauschen. Es ist so schön, dass dieses Konzert heute stattfinden kann, nachdem das im Lockdown nicht möglich gewesen wäre und vielleicht auch bald nicht mehr möglich ist! Durch die Corona-Krise wird gerade der Wert von Konzertbesuchen einem vor Augen geführt. Es ist etwas ganz anderes in einer Kirche die Schallwellen zu spüren und ein Konzert vor Ort zu hören, als einem Konzert distanziert über einen Bildschirm und Lautsprecher.
Krisen haben in diesem Sinn etwas Offenbarendes. Das deutsche Wort Krise kommt von dem griechischen Wort Krisis: Gericht, Beurteilung, Entscheidung. Im Neuen Testament hängt Krisis mit Offenbar werden zusammen: So heißt es in 2Kor 5,10: Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse. Im Gericht, in der Krise, wird offenbar was ist: Das Gute, wie auch das Schlechte. Vor Gottes Richterstuhl kommt die Wahrheit ans Licht.
Der Lockdown zu Beginn der Corona Krise hat einem den Wert von Dingen gezeigt, die man als selbstverständlich hielt. Noch vor einem Jahr waren Konzertbesuche und andere Veranstaltungen normal und selbstverständlich. Erst durch den Verlust wurde ihr Wert offenbar. Wie schön ein normaler Gottesdienst ist, wurde einem erst bewusst, als man keinen besuchen durfte. Wie wertvoll Gemeinschaft mit Freunden und Familie ist, wurde einem erst schmerzlich bewusst als das nicht mehr so möglich war. Geistliche Gemeinschaft ist keine Selbstverständlichkeit, schreibt Bonhoeffer in Gemeinsames Leben, sondern ein Privileg. Gesundheit lernt man erst zu würdigen, wenn man sie verloren hat. Gesundheit ist unsichtbar. Erst die Krankheit, die Krise offenbart ihren Verlust.
Durch Corona-Krise gingen gerade viele Alltags-Strukturen verloren. Das Leben wurde durch Corona durcheinandergeworfen. Im Frühjahr habe ich in Zürich studiert und bin von Rheinfelden mehrmals die Woche an die Universität gependelt. Während des Lockdowns wurden alle Veranstaltungen Online durchgeführt. Home-Office war angesagt. Das Pendeln hat mir Struktur gegeben, auch wenn es manchmal mühsam war die Strecke zu pendeln. Denn Home-Office verschwimmen die Konturen. Man kann nicht mehr so deutlich zwischen Arbeitszeit und Freizeit unterscheiden. Es ist viel schwerer sich im Home-Office zu konzentrieren und Online Vorlesungen zu verfolgen. Am Esstisch denkt man halt leichter ans Mittagsessen und nicht direkt an die Inhalte einer Vorlesung. Wie viel leichter ist es seine Arbeit im Büro zu erledigen, wenn man weis, dass man danach Heim fahren kann. wie viel leichter ist es zu entspannen, wenn man die Arbeit am Arbeitsplatz oder der Universität zurücklässt. Struktur, Alltag, Gewohnheiten sind eine Stütze. Sie geben einem Halt! Gerade durch den Verlust vom Alltag wurde das deutlich.
Dies gilt auch für das geistliche Leben. Der Verlust von Gemeinschaft, das Fehlen der Gottesdienste hat in meinem Leben die Frage nach der täglichen Gewohnheiten und Tradition im geistlichen Leben aufgeworfen. Gestern Abend wurde ein Vortrag von Herrn Prof. Fulbert Steffensky im Meierhof gezeigt. Fulbert Steffensky hat im Rahmen der Studientage Fribourg mehrere Vorträge zu Spiritualität im säkularen Zeitalter gehalten, die mich stark beschäftigt haben. Mit seinen 87 Jahren Lebenserfahrung betont er den Wert von Struktur im geistlichen Leben. Denn Gepflogenheiten pflegen das Leben und geben einem Halt in Zeiten der Krise. Und man merkt es ihm an: Er weiß von was er redet. Seine Sprache ist geprägt von den Psalmen.
Man sagt zwar Not lehrt beten. Und es ist erwiesen, das in Krisen mehr gebetet wird. Was aber, wenn man nie beten gelernt hat? Fulbert Steffensky verdeutlicht dies anhand eines Beispiels: Schwimmen lernt man nicht während des Ertrinken. Wer nicht durch viel Übung im seichten Wasser schwimmen gelernt hat, wird dies nicht von alleine können auf Hoher See mit hohen Wellen.
Jesus hat in seinem Leben viel und oft gebetet. In der Stunde seiner größten Not greift er auf Psalm 22 zurück: Er betet am Kreuz: Mein Gott mein Gott, warum hast du mich verlassen? Jesus birgt sich dadurch in einer Jahrtausend alten Gebetspraxis und Worten die zuvor schon David zu Gott gerufen hat. Gerade in Zeiten der Not, wenn man selbst nur schwer Worte findet, gilt: Beten will gelernt sein. Seinen Jüngern gibt Jesus daher ein Gebet mit auf den Weg zum täglichen Gebrauch, das die Christen aller Zeiten und Länder verbindet: Das Unser Vater oder Vater Unser. Auch wenn sich einige uneinig sind, ob man nun Unser Vater oder Vater Unser sagt, und einigen der Unterschied auch nicht bedeutsam erscheint: Das Unser Vater ist ein ökumenisches Gebet, wie Jan Milic Lochman festhält. Es verbindet in Jesus, der die Jünger aller Zeiten gelehrt hat, wie sie täglich beten sollen. Täglich dafür zu beten, dass Gottes Name geheiligt werde. Dass sein Reich komme, sein Wille geschehen. Für das tägliche Brot zu bitten, die Vergebung der Schuld und die Bewahrung vor dem Bösen. Obwohl man dieses Gebet sein Leben lang betet, wird es nicht alt. Es gewinnt an jedem Tag und in jeder Situation neu an Bedeutung!
Steffensky plädiert deswegen für eine alltägliche geistliche Praxis und ein Wiederaufleben traditioneller Gebete. Wie Jesus können einem diese ‚fremden‘ Gebete Worte geben, in Zeiten wo man selbst keine Worte finden kann. Sie befreien von dem Zwang immer authentisch sein zu müssen. Im Alltag fühlt sich das regelmäßige Gebet öfter wie Arbeit an, wird halbherzig getan. Es formt aber das Herz und bietet Struktur, die trägt, gerade in der Krise. Gewohnheiten prägt man zunächst selbst. Aber irgendwann wird man durch sie geprägt. Wenn ich an einen neuen Ort komme, brauche ich immer zuerst Zeit mich beim Joggen gehen zurecht zu finden. Am Anfang bin ich noch so konzentriert darauf, welchen Weg ich nehme und ob ich wieder zurückkomme, dass ich mich gar nicht auf das Wesentliche konzentrieren kann. Es kostet mich mental so viel Kraft, dass ich körperlich gar nicht an meine Grenzen kommen kann. Mit der Zeit lerne ich meine Laufrunden immer besser kennen. Mein Fokus schiftet und ich kann mich immer mehr auf das Laufen konzentrieren, weil ich keine mentale Kapazität mehr auf den Weg verschwenden muss, sondern automatisch oft begangenen Wegen folge. Tägliches Gebet hinterlässt Wege im Herzen, die man verinnerlicht hat und dadurch intuitiv wiederfindet. Welche Gebete und Lieder wird meine Generation noch im Herzen tragen, wenn wir alt und dement werden? Welche Gebete und Gewohnheiten tragen mich, wenn durch eine Krise wie Corona Gottesdienst und andere Strukturen wegbrechen?
Wenn man geheilt wird, ist man sich seiner wiedergewonnen Gesundheit bewusst. Wenn man längere Zeit an Krücken ging, freut man sicher unfassbar über seine wiedergewonnen Bewegungsfreiheit. Vor dem Lockdown hatte ich schon mal kurz Studienhausluft schnuppern dürfen. Für zwei Wochen konnte ich in Untermiete einziehen. Durch die Grenzschließung musste ich wieder ausziehen. Nachdem der Lockdown vorbei war, konnte ich aufgrund des Lochman Stipendiums ins Studienhaus zurückkehren. Das Studienhaus wurde belebt. Vor allem durch den Zuzug unserer jüngsten Mitbewohnerin: Marie. Mit ihren vier Jahren füllt sie das Haus mit Leben und hält uns ganz schön auf Trab.
Durch meine Rückkehr ins Studienhaus wurde mir der Wert von Gemeinschaft, von geistlichen Strukturen und Verbindlichkeit von neuem vor Augen geführt. Denn das evangelische Studienhaus ist nicht nur ein Haus des Studierens, sondern auch ein Haus des Gebets und der geistlichen Gemeinschaft. Ich bin dankbar hier leben zur dürfen! Dankbar für den wöchentlichen Evensong Dienstag abends. Dankbar für Gottesdienste und Veranstaltungen in der reformierten Kirche Riehen Dorf. Dankbar für das gemeinsame Leben mit meinen Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen. Dankbar den letzten Abschnitt meines Studiums an einem Ort zu wohnen, wo Theologiestudium und kirchliches Engagement zusammengehören. Wo Studieren nicht von Leben getrennt ist. Wo Denken und Beten spannungsreich aufeinander bezogen sind.
In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Unterstützung! Ich wünsche uns allen einen schönen Abend und dass wir dieses Privileg gemeinsam genießen können!